Viele Menschen sind in ihrem Alltag mit Antisemitismus konfrontiert. Wo „Jude“ ein gängiges Schimpfwort ist und israelfeindliche Gerüchte sowie Verschwörungsideologien im Umlauf sind, sind viele Multiplikator*innen zuweilen überfordert.
Überfordert im Kampf gegen Antisemitismus
Antisemitismus beeinträchtigt nicht allein das Leben der Jüdinnen*Juden in Deutschland. Als menschenfeindliches Welterklärungsmodell verzerrt es die Fähigkeit weiter Teile der Bevölkerung, politische Probleme zu erkennen und zu bearbeiten.
Dem israelbezogenen Antisemitismus kommt seit den 2000er Jahren dabei eine Schlüsselrolle zu. Israelfeindschaft dient als „Umwegkommunikation“, um geächtete und teils strafbewehrte antisemitische Äußerungen ungestraft ausdrücken zu können.
Auf diese Herausforderung hat die politische Bildung bislang noch kaum wirksame Antworten gefunden. Israelbezogener Antisemitismus findet sich im gesamten Parteienspektrum und allen gesellschaftlichen Gruppen.
Antisemitismus ist mehr als ein Vorurteil
Aktuelle Studien weisen einen Anteil antisemitischer Einstellungen in der Bevölkerung von 5 bis 10 Prozent aus, in Bezug auf den israelbezogenen Antisemitismus erhöht sich dieser Anteil allerdings auf bis zu 40 Prozent (vgl. Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen, Berlin 2017; sowie Israelbezogener Antisemitismus. Formen, Geschichte, empirische Befunde, Berlin 2021).
Antisemitismus – mit und ohne Israelbezug – ist nicht lediglich ein Vorurteil, sondern geht einher mit Reflexionsschwäche und Empathieunfähigkeit sowie dem Unvermögen, Konflikte auszuhalten oder diese friedlich und argumentativ zu lösen. Ebenfalls typisch für antijüdische Einstellungen ist die Neigung zu verschwörungstheoretischen Denkmustern. Mit diesem Gedankengut wird die Möglichkeit der Teilhabe an demokratischen Prozessen prinzipiell angezweifelt und die Demokratie in Frage gestellt.
Prävention braucht breitere Aufklärung
Bisherige Präventionsangebote, die sich mit antisemitischer Israelfeindschaft beschäftigen, konzentrierten sich vor allem auf den Konflikt mit den Palästinenser*innen. Eine solche Einengung des Inhaltes kann die Fixierung des Israelbilds auf Krieg und Gewalt kaum korrigieren. Unser Konzept sieht vor, den Konflikt im größeren Zusammenhang, namentlich der Demokratieentwicklung im Nahen Osten, zu thematisieren. Wie geht Israels Demokratie mit dem Konflikt zwischen Sicherheit und Menschenrechten um? Wie steht es um das demokratische Bewusstsein in den palästinensischen Gebieten? Welche Rolle spielt der Antisemitismus in der Region?